Von Rainer Busch
06. Mär 2023
Nun gut, es gibt zwei Tore, einen Ball, und schießt das eine Team in der vorgegebenen Spielzeit mehr Tore als das andere, dann hat es gewonnen. Aber sonst, seien wir ehrlich, haben die Robo-Kicker mit menschlichen Fußballer:innen wenig gemein. Sie tun schlichtweg, was ihnen gesagt wird. Das tun sie immer gleich gut oder gleich schlecht, weshalb sie einen Rückstand auch nicht aufholen können. Denn wer besser programmiert ist als der Gegner, der gewinnt. Immer. Oft und gerne auch zu null.
Nur wenige andere Universitäten haben vergleichbare Angebote.
B-Human ist besser als andere. Dass dies so ist, hat mit zwei Faktoren zu tun: mit Kontinuität im Trainerteam und mit der Attraktivität von forschendem Lernen, mit Robo-Fußball als Projektangebot im Studium. Seit 20 Jahren bilden zwei Wissenschaftler aus Mitgliedseinrichtungen der U Bremen Research Alliance ein kongeniales Trainerteam: Dr. Thomas Röfer vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Dr. Tim Laue aus dem Fachbereich Mathematik und Informatik der Universität Bremen. Dass der Ehrgeiz, gewinnen zu wollen, eine ihrer Antriebsfedern ist, verheimlichen sie nicht.
„Hier haben wir die Chance, Weltmeister zu werden“, sagt Laue. „Wenn man gut ist, macht es einfach mehr Spaß.“
Für den zweiten Faktor stehen Studierende wie Ayleen Lührsen und Jo Lienhoop. Wer seinen Bachelor in Informatik an der Universität Bremen machen will, muss ein Projekt belegen, das später im Masterstudium fortgeführt werden kann. B-Human ist so ein Projekt, mit dem sich die Studierenden über mehrere Jahre beschäftigen können und über das sie nicht selten ihre Abschlussarbeiten schreiben. Nur wenige andere Universitäten haben vergleichbare Angebote.
„Programmieren lernt man dadurch, dass man es tut“, sagt Röfer. Bei B-Human müssen Studierende Lösungen finden für spezifische Probleme, mit denen noch niemand vor ihnen konfrontiert gewesen ist, und sie sehen unmittelbar, ob diese funktionieren. Sie haben es dabei auch mit aktuellen Methoden der Künstlichen Intelligenz wie beispielsweise neuronalen Netzen zu tun. Und sie reisen zu internationalen Wettbewerben. So waren sechs von ihnen bei der WM in Bangkok dabei. „Wir finden B-Human toll“, sagt Ayleen. „Der starke Teamgedanke, äußerst vielfältige Forschungsbereiche und spannende Events zeichnen das Projekt aus.“
Als sich Thomas Röfer und Tim Laue kurz nach der Jahrtausendwende der Fußball-Robotik zuwandten, steckte die Technologie noch in den Kinderschuhen.
„Die Roboter liefen auf vier Beinen, das Feld war winzig und von einer hohen Bande umgeben“, erinnert sich Röfer.
Damit sich die Spieler orientieren konnten, war ein Tor gelb, das andere blau und der Ball orange. Gekickt wurde in einer fensterlosen Umgebung mit konstantem Licht. Heute spielen Schattierungen keine Rolle mehr. „Die Fähigkeiten sind enorm gewachsen“, meint Röfer. „Wir rollen unser Spielfeld aus, wählen uns ins WLAN ein und dann geht es los.“
Gespielt wird Fünf gegen Fünf auf einer Fläche von 9 × 6 Metern, die mit Auslinien markiert ist. Das Tor ist 80 Zentimeter hoch, aber im Grunde ist die Höhe unwichtig, weil die Roboter keine Hochschüsse können, den Ball also stets flach halten. Die Spieler haben Kameras im Kopf, die zusammen bis zu 60 Bilder pro Sekunde aufnehmen, verfügen über diverse weitere Sensoren, sind 56 Zentimeter groß und alle baugleich. Das Spiel ist aktuell auf 2 × 10 Minuten begrenzt. Die Rollenverteilung ist außer beim Torwart dynamisch: Wer den Ball hat, der ist Stürmer. Wer ihn nicht hat, der positioniert sich taktisch möglichst geschickt.
Gelbe oder Rote Karten werden nicht verteilt. Stattdessen verhängen die Schiedsrichter:innen Zeitstrafen, zum Beispiel, wenn ein Spieler den anderen über den Haufen rennt oder auf der Jagd nach dem Ball das Spielfeld verlässt.
„Funktioniert ein Algorithmus nicht richtig, kann das schon mal passieren“, erzählt Laue. „Aber wir sind seit vielen Jahren das Team mit den wenigsten Strafen!“, fügt Röfer hinzu.
Ball stoppen, passen oder schießen, die Mitspieler erkennen und die Gegner, die Situation verstehen, Entscheidungen treffen in Bruchteilen einer Sekunde – alles, was für Menschen einfach und selbstverständlich ist, muss den Robotern erst beigebracht werden. „Diese Vorgänge in Algorithmen und maschinelle Lernprozesse zu übersetzen, ist anspruchsvoll und faszinierend zugleich“, findet Laue. „Im Prinzip gibt es zwei Ebenen der Steuerung“, ergänzt Röfer.
„Die niedere Verhaltenssteuerung für einzelne Roboter und die höhere Teamentscheidung.“ Die Spieler kommunizieren miteinander, sie teilen einander mit, wer wo steht und wo der Ball ist. Auf Basis dieser Informationen entscheiden sie, wer zum Ball geht. Das ist in der Regel derjenige, der am dichtesten dran ist. Eine Nachricht pro Sekunde, 1200 pro Spiel darf jedes Team in der Standard Platform League verschicken, der Spielklasse, in der B-Human antritt. Ihre Zahl ist bewusst begrenzt und die WLAN-Kommunikation soll noch weiter abnehmen: Die Spieler sollen verstärkt auf natürliche Kommunikation reagieren, so sieht es das Regelwerk vor. Schon jetzt erfolgt der Anstoß per Pfiff des Schiedsrichters. Auch bei einem Tor ertönt die Pfeife und die Spieler ziehen sich hinter den Anstoßkreis zurück.
"Beim Erkennen von anderen Robotern ist noch Luft nach oben."
Die Regeln beim RoboCup werden immer anspruchs- voller, sie lenken die Weiterentwicklung; schließlich sollen humanoide Roboter im Jahr 2050 gegen menschliche Kicker:innen antreten und gewinnen. B-Human unterstützt die anderen Teams in der Entwicklung ihrer Spielkunst. Alljährlich stellen die Bremer:innen ihnen ihre Software zur Verfügung, sodass alle von einem ähnlichen Niveau aus starten.
„Beim Erkennen von anderen Robotern haben wir noch Luft nach oben“, meint Laue. Also wird trainiert, wird maschinell gelernt, mit ganz vielen Bildern. 140.000 umfasst ein klassischer Trainingssatz, von denen etwa 20.000 das zu lernende Objekt zeigen und der große Rest andere Dinge. Diese Bildreihen werden so lange wiederholt, bis eine Treffgenauigkeit von deutlich über 90 Prozent erreicht ist.
Immer freitags trifft sich das Team im Projektraum 015 des Cartesiums, einem Gebäude des Fachbereichs Mathematik und Informatik der Universität Bremen. Im Eingangsbereich zeugen Pokale von vergangenen Triumphen, im Raum selbst ist eine verkleinerte Spielfläche aufgebaut, tüfteln Studierende an ihren Laptops. In einem Regal harren ausgeschaltet ein gutes Dutzend der Roboter und warten auf ihre Aktivierung.
Mit humanoidem Fußball haben die Wissenschaftler:innen nichts am Hut.
14 Masterstudierende haben das Projekt belegt. Die Weiterentwicklung der Software erfolgt im Dalog mit ihnen. "Sie wissen genau, was funnktioniert hat und was nicht", weiß Röfer. Die Studierenden testen viel.
Geht etwas schief, wird hinterher darüber gesprochen, damit es künftig besser wird. So versucht etwa Jo Lienhoop, das Zusammenspiel der Roboter zu verbessern. „Ich möchte dazu beitragen, dass die Spieler mehr passen und weniger dribbeln“, sagt der Student. Er hat sich bereits in seiner Bachelorarbeit mit dem Thema beschäftigt.
Mit humanoidem Fußball haben Thomas Röfer und Tim Laue übrigens nichts am Hut. Röfer interessiert sich schlicht nicht dafür, Laue guckt zwar gerne mal ein Spiel, hält sich aber für einen der schlechtesten Spieler auf dem Planeten. Beide teilen indes die Begeisterung für die Robotik und die Informatik, beide stehen auch für die Kooperation innerhalb der U Bre-men Research Alliance. Obwohl Röfer beim DFKI angestellt ist und Laue an der Universität, haben beide ihre Büros auf demselben Flur und arbeiten seit mehr als zwei Jahrzehnten zusammen. „Inhaltlich unter- scheiden wir uns gar nicht“, erläutert Laue.
Nach dem Turnier, sagen die humanoiden Fussballer:innen, ist vor dem Turnier. Das gilt auch für die Robo-Kicker. Im Frühjahr wird in Kassel die German Open ausgetragen, im Juli folgt die Weltmeisterschaft in Bordeaux. Favorit ist, na wer wohl? Genau: der Titelverteidiger und neunmalige Weltmeister B-Human.
Zentrum der Robotikforschung
Roboter sind Teil unserer Zukunft. Wer sie entwickeln will, braucht Platz für Tests in unterschiedlichen Umgebungen. Eine in Deutschland einzigartige Forschungs- landschaft für die menschenorientierte Robotik wurde im kürzlich eröffneten Erweiterungsbau des Deutschen For-schungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) geschaffen. Der weitläufige Anbau bietet auf einer Fläche von rund 4.500 Quadratmetern eine einmalige Infrastruktur zur Erforschung von Zukunftsthemen, zum Beispiel der Mensch-Maschine-Ko- operation oder Weltraum- und Unterwas- serrobotik. Das Kernstück ist eine 17 Meter hohe Multifunktionshalle mit künstlicher Kraterlandschaft. In verän- derbaren Experimentierumgebungen kön-nen unter anderem Bewegungstests mit robotischen Lauf-, Flug- und Fahrsyste-men durchgeführt werden, wie sie etwa in Risikogebieten, der Medizin oder auch im Weltall zum Einsatz kommen.
www.dfki.de