Von Merle El-Khatib
11. Jun 2024
Die Abbildung auf dem Bildschirm des Computers von Kai-Uwe Hinrichs ist farbenfroh. Sie zeigt die Verteilung von Molekülen in einem wenige Zentimeter kleinen Ausschnitt eines Sedimentkerns. Die Moleküle spiegeln die Oberflächentemperaturen des Ozeans wider: Rot steht für warm, grün für kalt; auf einen Blick sind die Temperaturschwankungen einer Zeitspanne von etwa einem Jahrhundert sichtbar.
Der untersuchte Zeitraum liegt in der jüngsten Epoche der Erdgeschichte, die wärmer war als heute, vor rund 125.000 Jahren. Derartige Perioden bilden einen zentralen Forschungsschwerpunkt des Exzellenzclusters „Der Ozeanboden“ der Universität Bremen, an dem mit dem universitären MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie sowie dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung gleich vier Einrichtungen der U Bremen Research Alliance beteiligt sind. „Man muss schon lange zurückgehen, um Kohlendioxidkonzentrationen zu finden, die vergleichbar sind mit denjenigen, die für das kommende Jahrhundert vorhergesagt werden“, erzählt Hinrichs. „Diese Epochen aus der Vergangenheit haben modellhaften Charakter für die Dynamik und das Wechselspiel künftiger Ereignisse.“
Das bildgebende Verfahren, das Klima- und Umweltprozesse der Erdgeschichte hoch aufgelöst darstellt, ist von Hinrichs und seiner Arbeitsgruppe entwickelt worden. In einzelnen Fällen sogar mit monatlicher Auflösung können die Forschenden den Proben aus dem Ozeanboden Informationen entlocken und sie wie ein Klimatagebuch lesen. „Wir entziffern jetzt auch das Kleingedruckte im Sediment, was wir früher nicht konnten, weil wir die Werkzeuge nicht hatten“, sagt Hinrichs. Die Träger der Informationen sind die Moleküle, die von abgestorbenen Meeresalgen aus der Vergangenheit stammen und nun über das neue bildgebende Verfahren sichtbar gemacht werden. „Sie erzählen eine Geschichte“, erklärt Hinrichs.
Selbst in 2,458 Kilometern Tiefe unter dem Ozeanboden stellten Hinrichs und ein internationales Team noch mikrobielles Leben fest – aktuell die Rekordtiefe für den Nachweis von Mikroorganismen im Ozeanboden. Pro Milliliter Sediment sind es häufig weit mehr als eine Million Zellen, die selbst in 20 Millionen Jahren alten Sedimenten noch aktiv sind und beispielsweise das alte organische Material aus Algen und Pflanzen in Methan umwandeln. „Je tiefer man eindringt, desto langsamer sind die Prozesse. Da ist eine ganz andere Welt“, erzählt Hinrichs.
„Die Synergien in Bremen, die Möglichkeiten, sich zu entfalten, und die Unterstützung durch die Universität sind ganz hervorragend“, betont Hinrichs. „Es hat mir immer gutgetan, hier zu arbeiten.“ Ein spannender Beitrag der am Wissenschaftsstandort Bremen umgesetzten Klimaforschung am Ozeanboden von den Forschenden aus U Bremen Research Alliance Mitgliedseinrichtungen ist kürzlich im Wissenschafts-Magazin „Impact“ der U Bremen Research Alliance erschienen und kann auf der nachstehenden Internetseite abgerufen werden:
https://www.bremen-research.de/einblicke/klimaforschung-am-ozeanboden
Kontakt:
Merle El-Khatib
Kommunikation und Marketing
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Über die UBRA:
In der U Bremen Research Alliance (UBRA) kooperieren die Universität Bremen und zwölf Institute der bund-länder-finanzierten außeruniversitären Forschung – alle mit Sitz im Bundesland Bremen. Sie umfasst Forschungsinstitute der vier großen deutschen Wissenschaftsorganisationen, also Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max-Planck-Gesellschaft, sowie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.